Johann Nicolaus ist Hermanns Vater und als Gewürzhändler sehr erfolgreich im Geschäft. Er hat einen Laden [1] (siehe -1-) das sich im Zentrum Darmstadts, neben dem Rathaus und mit Blick auf den zentralen Marktplatz und das Schloss des Landesherrn, der Landgrafen von Hessen-Darmstadt, befindet.

Seine Handelsaktivitäten sind bis nach Paris sichtbar, wo sein Geschäft in Didot-Bottins Europäischem Handelsalmanach von 1862 erwähnt wird.

Politische Karriere
Er wurde um 1830 in den Stadtrat gewählt und 1833 bei den Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit des späteren Großherzogs Ludwig III. von Hessen mit Prinzessin Mathilde von Bayern durch das Los zu einem der Ehrenbürger der Stadt Darmstadt gewählt. Als ehrenamtlicher Eskorte zu Pferd reitet er neben der Kutsche des Brautpaares. Anschließend hatte er die Ehre, das Brautpaar vor den Darmstädtern mit den Worten anzufeuern: „Es lebe Ludwig und Mathilde!“[5].

Als Geschenk für seine Frau Mathilde ließ Ludwig III, 1833 ein Landhaus erbauen und nannte es die “Mathildenhöhe” (Siehe -4-). Anlässlich des Baus liegt ein Pergament bei [6] in dem die Mitglieder des damaligen Stadtrates, darunter Johann Nicolaus, genannt werden (Siehe -5-). 1880 musste das Gebäude jedoch dem Bau einer Wasserleitung weichen, woraufhin 1901 an gleicher Stelle das heutige Künstlerdorf und Kulturdenkmal „Mathildenhöhe“ entstand.


Als Folge der „Februarrevolution“ in Frankreich 1848, in deren Mittelpunkt die Reform des Wahlrechts stand, tobt eine Revolution durch Europa. In den Niederlanden führt dies beispielsweise zur Ausarbeitung einer Verfassung durch Thorbecke. In Deutschland gibt es jedoch keine Zentralmacht, sondern einen Flickenteppich von Herrschern, die jeweils für ihr eigenes Territorium bestimmen, welche Zugeständnisse an die sogenannten „Revolutionäre“ gemacht werden.
Als 1848 die Revolution Darmstadt erreicht, sitzt Johann Nicolaus noch im Stadtrat. Zusammen mit einigen anderen Stadträten kämpft er für mehr Demokratie [7]. Die „Darmstädter Demokraten“ erhalten in ihrem Kampf unerwartete Hilfe, denn Ludwig III. von Hessen präsentiert sich als Thronfolger von Hessen-Darmstadt als Gegner der absolutistischen und strengen päpstlichen Tendenzen, die sich unter der Herrschaft seines Vaters manifestierten. Seine Ernennung zum Mitregenten im Revolutionsjahr am 5. März 1848 wurde daher mit Beifall aufgenommen. Nach dem Tod seines Vaters Ludwig II. am 16. Juni 1848 wurde er zum Großherzog ernannt [8]. Am Ende werden aber, wie in vielen anderen europäischen Ländern, ab 1852 die erworbenen Freiheiten langsam teilweise rückgängig gemacht.
Familienleben
Zwischen 1823 und 1838 wurden die Söhne Georg (1823), Johann Hermann (1836) und Carl Ludwig (1838) geboren. Der Familie geht es gut, bis Georg 1838 im Alter von 14 Jahren plötzlich in Waldmichelbach an den Folgen einer Lungenlähmung an Krämpfen stirbt.
1861 ist ein Katastrophenjahr für die Familie. Am 30. Mai stirbt im Alter von 23 Jahren der jüngste Sohn Carl Ludwig, ein angehender Kaufmann, der in den Gewürzhandel der Familie einsteigen will. Der dritte Sohn, Johann Hermann, lebt in Mainz und arbeitet im Weinhandel seines Vetters Georg Wetterhahn, stirbt jedoch am 25. Dezember im Alter von 25 Jahren.
Nach längerem Leiden als Folge eines Emphysems, stirbt Johann Nicolaus am 12. Oktober 1872, wenige Tage vor seinem 82. Geburtstag. Johann Nicolaus ist der letzte in der männlichen Blutlinie dieses Familienzweiges „Gütlich“, wonach dieser Familienzweig ausstirbt.

Der Sohn Johann Ludwig/Louis, adoptiert von Johann Nicolaus und einziger lebender Sohn, übernimmt gemeinsam mit seiner Mutter den Gewürzhandel von seinem Vater. Seine Mutter Elisabeth stirbt 1882 und Louis ist dann das letzte verbliebene Familienmitglied und damit alleiniger Erbe des Familienbesitzes. Nach dem Tod seiner Mutter verkauft Louis den Gewürzhandel und zieht sich zurück. Als er am 11. November 1889 stirbt, vermacht er seinen Besitz seiner Haushälterin, die daraus den Nießbrauch erhält [10] und endet die Geschichte des aus Groß-Gerau in Darmstadt zugezogenen Familienzweiges „Gütlich“.
Zusammensetzung der Familie Gütlich-Müller:

[1] Durch die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg ist ein großer Teil der Darmstädter Innenstadt bombardiert. Auch das Haus von Johann Nicolaus wird getroffen. Nach dem Krieg wurde an gleicher Stelle ein Neubau im modernen Stil errichtet. 2022 ist ein Supermarkt eingerichtet.
[2] 1849 – Darmstadt_21 Das Grossherzogthum Hessen in malerischen Original Ansichten, 1. Band Starkenburg & Rheinhessen. Druck und Verlag von Gustav Georg Lange, Darmstadt 1849, Abb. 19
[3] 1862 Annuaire-Almanach du Commerce – Didot-Bottin – Darmstadt – N. Gütlich – P. 2669
[4] Chronik der Feierlichkeiten, welche auf Veranlassung der holM. Vermählung Seiner Hoheit des Erbgroßherzogs Ludwig von Hessen mit Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Mathilde von Bayern in Bayern und Hessen stattfanden; Darmstadt, 1834. Verlag von Friedrich Metz.
[5] https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/m/mathildenhoehe.html
[6] Hessisches Staatsarchiv Darmstadt – Bestand A1 – Nr. 37/71
[7] Für Freiheit und Recht! – Der Kampf der Darmstädter Demokraten im Vormärz (1815-1848) – Erich Zimmermann, Hessische Historische Kommission – 1987, Darmstadt
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_III._(Hessen-Darmstadt)
[9] Darmstädter Zeitung, 13-10-1872
[10] Hessisches Staatsarchiv Darmstadt G 28 Darmstadt Nr. F 2812/3 – STAY, Margaretha, Haushälterin des Rentners Louis Gütlich: Vormundschaft – Verwaltung und Nießnutz des Vermögens des Rentners Louis Gütlich – 1890